SACRE
Der Titel bezieht sich auf das Ballett Le Sacre du printemps von Strawinsky, es war das erste, das ich als junges Mädchen überhaupt auf einer Bühne gesehen habe. Als Ballettschülerinnen bekamen wir Freikarten für die Oper, unsere Lehrerin hatte noch bis vor kurzem selber als Solistin hier getanzt. Das Stück handelt vom Opfer einer jungen Frau, die in einem Ritual auserwählt wird, um dem Sonnengott dargebracht zu werden. Die Musik war wie Peitschenhiebe, und im 2. Akt stand die Tänzerin plötzlich völlig nackt auf der Bühne, tanzte wie eine Wahnsinnige, zeigte dem Publikum alles, ihre intimsten Körperteile, die männlichen Zuschauer unten im Parkett sprangen auf, um alles genau sehen zu können, und dann johlten sie und feuerten die Tänzerin an, wie in einem Stripclub. Sie gaben auch keine Ruhe, als die Frau wie tot auf der Bühne lag, schrieen Bravo Bravo, immer wieder.
Später erfuhren wir, dass unsere noch junge Lehrerin die Kompanie verlassen musste, weil sie nicht bereit war, sich ihre Brüste operativ entfernen zu lassen, da der neue Ballettchef knabengleiche Frauenkörper in seinem Ensemble bevorzugte. Nur „Nacktrollen“ wie diese wären für sie noch möglich gewesen. Ihr Lebenstraum war jäh zu Ende gegangen.
Welches Opfer ist man bereit zu geben, um als Künstler Anerkennung zu erhalten? Wie weit muss man sich erniedrigen, anpassen, verkaufen, um Erfolg zu haben? Diese Gedanken beschäftigen mich seit langer Zeit, auch als Fotografin.
In meinem „Sacre“ sind die Darsteller selbstbewusst genug, um sich nicht zu opfern, sie tanzen aus Freude und Hingabe, sie feiern die Urgewalt des Frühlings.
Bildautor*innen: Uta Genilke
Gestaltung: Uta Genilke
Herausgeber*innen: Uta Genilke
Verlag: Self-Publishing
Verlag Bestell-Link: SACRE



